Post by Uwe HercksenPost by Homo LykosDass Kepler z.B. - wie andere hier phantasiert haben - sozusagen darauf
angewiesen gewesen sei, dass die Erdbahn in sehr guter Näherung eine
Kreisbahn ist, stimmt nicht: Kepler hatte Punkte der Erdbahn unter der
Annahme bestimmt, dass Mars jeweils nach einem Marsjahr wieder am gleichen
Ort (relativ zur Sonne) ist. Richtig ist aber, dass er mit dieser Methode
der Erdbahnbestimmung die Ellipsenform der Erdbahn wohl nie hätte finden
können. Die Ellipsenförmigkeit der Planetenbahnen erkannte er wohl
tatsächlich nur dank dem Umstande, dass die Marsbahn eine rel. grosse
Exzentrizität hat. Und dass er die Marsbahn besonders genau untersuchte
bzw. untersuchen musste, verdankte er Tycho Brahe. Wenn ich mich richtig
erinnere, war er anfänglich mit diesem Auftrag, den er zuerst total
Hallo,
Bahnexzentrizität des Mars 0,093, der Erde 0,017, der Venus 0,007, des
Merkur 0,206, des Jupiter 0,048, des Saturn 0,056, des Uranus 0,047, des
Neptun 0,009, des Pluto 0,25, aber die Planeten ab Uranus kannte Kepler
natürlich noch nicht.
Wenn Kepler mit der Venus statt mit dem Mars angefangen hätte, dann hätte
er die Ellipsenform leicht übersehen können.
Ja, natürlich: Leseprobleme? ... Aber sein Vorgehen war eben (grundsätzlich)
nicht von der Annahme abhängig, dass die Erdbahn (fast) kreisförmig ist;
wichtig für sein Vorgehen war aber der Flächensatz, den er mit der
Sicherheit des grossen Entdeckers schon für richtig hielt bzw. als richtig
annahm, als er dies noch nicht wirklich belegen konnte. Ganz wichtig war
aber auch seine Annahme, die er von Anfang an praktisch als
selstverständlich voraussetzte, dass sich die Planeten in Ebenen bewegen, in
denen die Sonne, aber nicht die Erde liegt: der vermutlich erste klare
Beleg, dass das geozentrische System falsch sein muss; bei Kopernikus war
dies noch nicht so, und bei Aristarch bzw. Seleukos von Seleukia wissen wir
das nicht. Kopernikus kann aber eh nicht als von Aristarch unabhängiger
Entdecker des heliozentrischen Systems angesehen werden, da er Aristarchs
Modell aus der Literatur kannte, was er in älteren Fassungen seiner Arbeit
auch noch korrekt erwähnt hatte, später aber nicht mehr. Aristarch ist auch
insofern der viel bedeutendere Gelehrte als Kopenikus, als er die Mond- und
Sonnenentfernungen vermutlich erstmals gemessen und berechnet hatte, woraus
sich ergab, dass die Sonne viel grösser als Erde und Mond sein muss, was
möglicherweise der ursprüngliche Grund für sein neues Weltmodell war. Kepler
war dann nach heutigem Wissensstand der erste, der etwa 1900 Jahre später
eine bessere Entfernungsschätzung - genauer eine untere Grenze für den
Sonnenabstand - angeben konnte als Aristarch.
Dank der Rudolphinischen Tafeln, die wohl gegen 200 Jahre in Gebrauch
blieben, hatten Keplers Arbeiten auch einen unmittelbaren Nutzen, ganz
anders als z.B. die Arbeiten von Kopernikus oder sogar auch von Newton. Die
grosse Qualität dieser Tafeln beruhte natürlich primär auf Keplers Gesetzen,
aber natürlich auch auf den für damalige Verhältnisse hoch präzisen
Messungen von Tycho Brahe. Und für die gewaltige praktische Rechenarbeit
spielte der aus Lichtensteig stammende Jost Bürgi mit seiner
Logarithmenmethode eine wesentliche Rolle; die heutigen Lichtensteiger bzw.
die Verantwortlichen, die sein Denkmal schleifen liessen, halte ich
allerdings für seiner nicht würdig.
Homo Lykos
www.wolff.ch
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Ceterum censeo: Zur Ehre Galileis,
zur Freude der Grossen der Physik von Planck, Einstein bis Heisenberg
ermögliche man auch wieder deutschsprachige Physikveröffentlichungen.