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Post by Uwe HercksenWenn Harrison damals seine Uhren justieren wollte, dann hatte er nur den
Durchgang eines Sterns am Teleskop als Zeitnormal zur Verfügung. Man
stelle sich den Ablauf einer Justierung vor: Sterndurchgang beobachten
und Uhr ablesen, mindestens 24 Stunden warten, wieder Sterndurchgang
beobachten, Uhr ablesen und Fehler berechnen, Justierwert schätzen, das
ganze Verfahren wiederholen usw. bis die Abweichungen in einem Tag unter
einer Sekunde liegen.
Wenn dann auch noch wiederholt schlechtes Wetter dazwischen kam und die
Uhr noch genauer als eine Sekunde pro Tag justiert werden sollte kann
man sich die Langwierigkeit des Verfahrens vorstellen, es muss wohl
viele Wochen bis Monate gedauert haben.
Du malst ein bißchen zu sehr "schwarz": Er könnte durchaus das
Verfahren angewendet haben, das Physiker "mit schmutzigem Wasser das
Geschirr sauber waschen" nennen.
Um mit mechanischen Uhren eine einigermaßen genaue Zeit zu kennen, ist
es insbesondere bei stationären Uhren keineswegs erforderlich, daß die
sozusagen "absolut richtig" gehen. Das übliche Verfahren ist vielmehr,
eine Uhr stoßgeschützt bei einigermaßen konstanter Temperatur
aufzubewahren und sie täglich regelmäßig in gleicher Weise aufzuziehen
- bei gewichtsbetriebenen Pendeluhren hat man ohnehin einen sehr
konstanten Antrieb.
Unter diesen Bedingungen hat man auch mit ziemlich "primitiven" Uhren
schon eine ganz hervorragende Konstanz der Ganggeschwindigkeit - man
macht sich dann eine Korrekturtabelle, in der man täglich (wenn
möglich) "Gang" und "Stand" notiert (gestellt wird sie nicht) und hat
dann nach relativ kurzer Zeit einen ganz guten Überblick über die
Genauigkeit der Uhr und die Reproduzierbarkeit ihrer Anzeige.
Sein "heimisches" Zeitnormal konnte Harrison sich also schon ohne
extremen Aufwand herstellen - die Leistung bestand darin, präzise
transportable Uhren zu bauen. (Und daß man bei denen ohne die Führung
von Korrekturtabellen auskam, kann ich mir schlicht nicht vorstellen -
es ist ziemlich sinnlos, eine Uhr auf eine Sekundengenauigkeit pro Tag
einzuregulieren, man kommt mit einigen Sekunden Abweichung pro Tag
auch für astronomische bzw. navigatorische Zwecke auch noch nach
Jahren zurecht, wenn man gewissenhaft eine Korrekturtabelle mitführt.)
Sicher war es sinnvoll, die "Zeitnormale" gelegentlich astronomisch
nachzuregulieren. Dafür brauchte Harrison aber lediglich mit seiner
Taschenuhr zum Observatorium gehen, die mit der dortigen Pendeluhr zu
vergleichen und das Meßprotokoll für einen Meridiandurchgang
einzusehen und dann zu Hause den so ermittelten Stand der Taschenuhr
mit seiner "Zeitbasis" zu vergleichen - dafür ist die
Kurzzeitstabilität einer damaligen Taschenuhr völlig ausreichend.
Gruß aus Bremen
Ralf
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